Lopatka sorgt für Lacher
Für Lacher im Nationalrat sorgte heute ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka, als er sich selbst quasi vom Saulus zum Paulus wandelte.
Bezug nehmend auf seine kritischen Aussagen zu Kerns Tätigkeit bei ÖBB und Verbund versprach er eine Fokussierung auf die Zukunft. Und: "Ich habe mich nie in einer Telefonzelle gesehen."
FPÖ: "Wie oft noch?"
Während nach der erste Rede von Kanzler Christian Kern von allen anderen Parteien zustimmende Signale kamen - wenn auch betont wurde, dass die Inhalte folgen müssten - fiel die FPÖ als einzige mit rein ablehnenden Wortmeldungen auf.
FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache zeigte sich ungnädig. "Zum x-ten Mal" begrüße man jetzt im Nationalrat neue Minister, "wie oft noch?", fragte sich der Klubchef der Freiheitlichen. Ginge es nach ihm, wäre es mit Rot-Schwarz schnell vorbei: "In Wahrheit sollten demokratische Neuwahlen erfolgen."
Grünen-Klubobfrau Eva Glawischnig kritisierte das. Es sei "unglaublich respektlos", die neue Regierung schon zu kritisieren, bevor sie überhaupt angetreten sei. Für die Regierung sah sie noch eine letzte Chance.
In der Mitte zwischen FPÖ und Grünen positionierte sich im Anschluss NEOS-Klubchef Strolz. Einerseits lobte er Kerns Antrittsrede wie davor Glawischnig, andererseits wünschte er sich dennoch wie Strache Neuwahlen, die angesichts des Unwillens der Koalitionsparteien, miteinander zu arbeiten, die besserer Variante gewesen wären.
"Als Staatsbürger" wünschte sich Team Stronach-Klubobmann Robert Lugar, dass Kern mit seinem Team erfolgreich sein werde. Seine Problemanalyse sei schon einmal treffend gewesen.

Kanzler Kern stellte Team und Anliegen im Nationalrat vor
Bundeskanzler Christian Kern und sein neues SPÖ-Regierungsteam haben sich am Donnerstag dem Nationalrat präsentiert. Der 13. Regierungschef der Zweiten Republik versprach dabei, den "Countdown um die Herzen und Menschen in unserem Land" zu starten. Die Aufnahme seitens ÖVP und Opposition gestaltete sich freundlich, die FPÖ bildete die Ausnahme.
Kern sprach vom Eindruck eines Stillstands und dem "Bedürfnis, dass durch unser Land ein Ruck geht, um Dinge zu verändern". Dem wolle er entsprechen, so der neue Kanzler, und versuchen, das Land "mit jeder Faser unseres Wollens" in die richtige Richtung zu bringen.
Für das Handeln in der Vergangenheit hatte er erneut viel Kritik über. "Politischer Inhalt wurde durch taktischen Opportunismus ersetzt, und genau das ist es, womit wir brechen müssen." Kern sprach von einem "New Deal", Mut sei eine taktische Notwendigkeit, denn: "Menschen brennen nicht für Kompromisse, sie brennen für Grundsätze und Haltungen."

Duzdar will "Akzente setzen und integrativ wirken"
Die unter anderem für Beamte, Diversität und Digitalisierung zuständige Kanzleramtsstaatssekretärin Muna Duzdar (SPÖ) will "Akzente setzen und integrativ wirken". Dass sie selbst "Migrationshintergrund" habe, sei ihr erst durch die Berichterstattung der vergangenen Tage wieder bewusst geworden, sagte die SP-Politikerin, die als Tochter palästinensischer Einwanderer in Österreich geboren wurde.
Sie selbst sehe sich als Österreicherin, Europäerin und Weltbürgerin - ohne auf ihre palästinensisch-arabischen Wurzeln zu vergessen, sagte Duzdar bei ihrem ersten Auftritt im Nationalrat am Donnerstagnachmittag. Dass in Österreich eine negative Stimmung im Zusammenhang mit Migration herrsche, sei für sie bedrückend.
"Diese negativen Gefühle und Haltungen werden befeuert durch politische Kräfte, die das trennende vor das gemeinsame stellen Ich will gegen die Angst arbeiten."
Als Ziel nannte Duzdar, Akzente zu setzen, "die Hoffnung machen und für Aufbruch stehen". Außerdem dankte sie ihren Lehrerinnen in Volksschule und Gymnasium:
"Es ist der Unterstützung meiner tollen österreichischen Lehrerinnen zu verdanken, dass ich als Migrantenkind in meiner Schule so erfolgreich sein konnte."

Drozda sieht gute Zusammenarbeit als "Pflicht"
Neo-Kanzleramtsminister Thomas Drozda (SPÖ) sieht die Regierungskoordination als "Pflicht", die ebenfalls bei ihm angesiedelte Kultur als "Kür". "In diesem Pflichtteil geht es darum, eine gute Zusammenarbeit in der Regierung zu finden", so Drozda bei seinem ersten Auftritt im Nationalrat: "Die Erwartungshaltung ist riesig und ich habe hier die Aufgabe des Bohrens der dicken Bretter zu übernehmen."
Die Bereitschaft zu einer guten Zusammenarbeit sei offenbar vorhanden und er freue sich auf die Zusammenarbeit mit einem selbstbewussten Parlament, betonte der Kanzleramts- und Kulturminister. Kultur habe aber auch mit dem Umgang miteinander zu tun und hier habe er heute erleben müssen, wie eine Kollegin, die sich noch nicht einmal zu Wort melden konnte, schon angegriffen worden sei.
"Ich finde das absolut nicht in Ordnung", so Drodza, offenbar mit Blick auf die Kritik von FP-Chef Heinz Christian Strache an der neuen Kanzleramtsstaatssekretärin Muna Duzdar (SPÖ).
Hammerschmid setzt auf Chancengleichheit
Die neue Bildungsministerin Sonja Hammerschmid (SPÖ) hat in ihrer ersten, kurzen Erklärung vor dem Parlament Chancengleichheit als zentrales Ziel genannt. "Ich will in einem Land leben, in dem alle Kinder die selben Chancen haben - unabhängig davon, wo sie wohnen und wer ihre Eltern sind", sagte Hammerschmid.
Österreich habe keine Rohstoffe, daher brauche das Land für wirtschaftlichen Erfolg, kluge Köpfe und hervorragende Ideen. "Diese klugen Köpfe gilt es zu entwickeln", sagte Hammerschmid: "Bildungspolitik ist die beste Arbeitspolitik und Sozialpolitik." Dafür brauche man motivierte Pädagoginnen und Pädagogen, die ihren Beruf mit Leidenschaft ausüben.

Zitate aus der Kern-Rede im Nationalrat
Passagen aus der Antrittsrede von Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) im Nationalrat im Wortlaut:
- "Ich habe in den letzten Tagen viel Zuspruch bekommen, und es ist mir nicht entgangen, welche Art von Erwartungshaltung hier entstanden ist."
- "Was ich Ihnen versprechen kann, ist, dass wir mit jeder Faser unseres Wollens, dass wir mit unserer gesamten Leidenschaft und mit jeder Minute unseres Denkens versuchen werden, die Dinge in die richtige Richtung zu bewegen. Und wenn wir scheitern, werden das die richtigen Motive sein, aus denen wir scheitern."
- "Ich halte das für sinnvoll, hier nicht jedem Mikrofon gegenüber eine Wortspende abzugeben, weil ich fest davon überzeugt bin, dass sich dieses Land eine politische Führung nicht leisten kann, die sich keine Zeit zum Nachdenken nimmt."
- "Politischer Inhalt wurde durch taktischen Opportunismus ersetzt, und genau das ist es, glaube ich, womit wir brechen müssen."
- "Eines habe ich auch verstanden: Menschen brennen nicht für Kompromisse, sie brennen für Grundsätze und Haltungen."
- "In dieses geistige Vakuum, in diese Ritzen dieses Vakuums, dieses Gebäudes kriecht natürlich umso leichter das Vorurteil und die billige Pointe."
- Im Jahr 2016 bedeutet keine Visionen haben, dass derjenige, der keine Visionen hat, tatsächlich einen Arzt braucht."
- "Wir wollen die Köpfe und die Herzen nicht dem billigen Populismus überlassen. Wir wollen zeigen, dass wir eine positive Alternative haben."
- "Ab heute läuft der Countdown um diese Auseinandersetzung, läuft der Countdown um die Herzen und Menschen in unserem Land."
- "Wir wollen die Hoffnung nähren und nicht die Sorgen und Ängste der Menschen. Wir wollen eine Politik des Zukunftsglaubens der Hoffnungslosigkeit gegenüberstellen. Wir wollen eine Politik der Weltoffenheit der geistigen Verengung gegenüberstellen. Und wir wollen eine Politik der Heimatverbundenheit und des Patriotismus dem Chauvinismus und der Hetze gegenüber Minderheiten gegenüberstellen."
- "Die größte Wachstumsbremse ist am Ende des Tages die schlechte Laune."
- "Ich bin überzeugt, dass es in diesem Land keine Politikverdrossenheit gibt, aber es gibt natürlich eine große Distanz zu dieser Kapselpolitik, die sich von den Menschen und den tatsächlichen Interessenslagen, Sorgen und Notwendigkeiten mittlerweile deutlich entfernt hat."
Postenkarussell in den Kabinetten
Die Neubesetzungen im SPÖ-Team der Bundesregierung haben auch das Postenkarussell auf Kabinettsebene gehörig in Bewegung gebracht. Vom Bundeskanzler abwärts wechselt das Personal, wobei zum Teil bereits bekannte Gesichter dabei sind. Fix ist nun das Presseteam von Kanzler Christian Kern mit Jürgen Schwarz und Susannika Glötzl.
Schwarz war zuletzt stellvertretender Kabinettschef bei Kerns Vorgänger Werner Faymann, Glötzl hatte eben diese Funktion im Bildungsministerium bei Gabriele Heinisch-Hosek inne. Kabinettschefin ist Maria Maltschnig, die auch Kerns Vorstandsassistentin bei den ÖBB war.
Michael Schmid, bisheriger Büroleiter von Staatssekretärin Sonja Steßl, wird den Kanzler in Verkehrs- und Umweltthemen beraten, bestätigte Schwarz. Bernd Wrabetz, Bruder von ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz, dürfte die außenpolitische Beratung übernehmen, dies wurde von Schwarz nicht dementiert. Christopher Berka ist Finanz- und Wirtschaftspolitischer Berater des neuen Kanzlers.
Der neue Kanzleramtsminister Thomas Drozda holt Michael Rendi als Kabinettschef in sein Team. Rendi war österreichischer Botschafter in Israel und zuletzt Leiter der Abteilung Internationale Organisationen im Außenministerium. Pressesprecher von Drozda bleiben vorläufig wie unter Vorgänger Josef Ostermayer Nedeljko Bilalic und Kerstin Hosa. Hosa ist weiterhin für die Kulturagenden zuständig.
Für die neue Staatssekretärin im Bundeskanzleramt Muna Duzdar spricht noch bis Ende Juni der bisherige Steßl-Sprecher Leo Szemeliker. Duzdars Büroleiter wird laut seinen Angaben Georg Hufgard, davor als Jurist und Referent in Heinisch-Hoseks Kabinett tätig. Sein Stellvertreter wird Michael Kienesberger, der diese Funktion zuletzt im Büro der Wiener Stadträtin Sandra Frauenberger ausübte.
Alles beim Alten bleibt hingegen im Presseteam des neuen Infrastrukturministers Jörg Leichtfried. Er übernimmt sowohl Andreas Strobl als auch Sophie Lampl von seinem Vorgänger Gerald Klug.
Kern wünscht sich "Visionen für Österreich"
Bundeskanzler Christian Kern sprach erstmals vor dem Nationalrat. Mit dem Koalitionspartner ÖVP will er einen „New Deal“ für Österreich aushandeln.
Mehr dazu hier:
Video: Erste Kern-Erklärung im Nationalrat
Der neue Bundeskanzler und SPÖ-Chef Christian Kern hat im Nationalrat seine Antrittsrede absolviert. Unter den Augen von Bundespräsident Heinz Fischer rief er zu einem "New Deal" auf.
"Ab heute läuft der Countdown um die Herzen in diesem Land", er wolle Stillstand und Vertrauensverlust bekämpfen. Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) versprach gute Zusammenarbeit.