Eröffnungsplädoyer von Staatsanwalt Joachim Wüstner

Staatsanwalt Joachim Wüstner erklärt nochmals, was dem Angeklagten vorgeworfen wird und welche Aufgabe den Geschworenen im Prozess zukommt. Er ermuntert sie, bei Unklarheiten Fragen zu stellen.

Wüstner schildert, was sich an den frühen Morgenstunden des 28. August 2022 abgespielt hat, vom Alarm-Schlagen eines Zeugen über das Eintreffen der Einsatzkräfte bis zur traurigen Gewissheit, dass Leon ertrunken ist. Er selbst habe von dem Fall zunächst aus den Medien erfahren.

"Ich muss gestehen, ich habe mir schon gedacht, das ist eine komische Geschichte."

Als ihm der Akt zugeteilt wurde, seien diese Zweifel an der Geschichte zunächst ausgeräumt worden. Von dort aus habe man weiter ermittelt, Beweise gesichert und Verletzungen untersucht. Die Verletzung des Angeklagten sei im Krankenhaus mit einem Pflasterspray behandelt worden. Gerichtsmediziner Walter Rabl, der am Nachmittag aussagen wird, habe an dieser Stelle erste Zweifel angemeldet. Beim Angeklagten sei etwa keine Unterkühlung festgestellt worden, was bei einer Bewusstlosigkeit zu erwarten gewesen wäre. Medizinisch sei die Bewusstlosigkeit nicht erklärbar.

Wüstner zeigt auch eine Glasflasche wie jene, mit der der Angeklagte angeblich niedergeschlagen wurde. Über diese seien zunächst keine Ermittlungserkenntnisse zu gewinnen gewesen. Das änderte sich mit Handyvideos des Vaters – eines davon wurde um 2.46 Uhr in St. Johann aufgenommen. Dabei kommt der Kinderwagen ins Blickfeld. Auf diesem Video sowie auf dem Überwachungsvideo eines Geschäfts ist zu sehen, dass eine solche Flasche im Fach des Kinderwagens war. Bei der Beschuldigtenvernehmung habe er gesagt, er könne die Flasche auf dem Video nicht erkennen. "Hobbypsychologen würden sagen, das ist denial, Verdrängung."

"Wie kommt diese Flasche in den Buggy und wieso sagt der Angeklagte monatelang nichts davon?"

Er habe sie gebraucht, um sich selber zu verletzen und Scherben am Tatort zu hinterlassen, so Wüstner. Auch um die Flasche so zu zerbrechen, sei ein erheblicher Krauftaufwand notwendig.

"Ist es überhaupt möglich, sich solche Verletzungen selber zuzufügen?"

Laut Gerichtsmediziner Rabl ja, so Wüstner.

Auch umfangreiche DNA-Untersuchungen seien durchgeführt worden. Der "klassische Straßenraub" sei ein "sehr dummes Verbrechen" – hohe Strafen, hohes Risiko erwischt zu werden, und in der Regel keine große Beute. Meist seien solche Taten nicht besonders geschickt geplant. Auf dem Handy und der Kleidung des mutmaßlichen Raubopfers seien in diesem Fall aber keine DNA-Spuren gefunden worden.

Bei der Auswertung des Handys des Angeklagten sei der Schrittzähler auffällig gewesen bzw. habe nicht mit der Schilderung des Raubgeschehens übereingestimmt. Außerdem hat der Angeklagte im Vorfeld "Bewusstlosigkeit" gegoogelt.

Wüstner spricht über die Beeinträchtigung des verstorbenen Leon und wie das Leben damit ausgesehen hat. Unter anderem gehörten epileptische Anfälle und schlaflose Nächte zum Alltag. Aufschlüsse darüber geben Chat-Verläufe zwischen dem Angeklagten und seiner Frau.

"Es hat sicher auch schöne Stunden gegeben, aber es war schwierig."

Im Februar 2022 musste Leon aus dem Kindergarten genommen werden, was für Zukunftsängste gesorgt habe. Im Herbst wäre der Bub schulpflichtig geworden. Auch ein Platz für ein zusätzliches Kindergartenjahr war nicht in Aussicht.

Für Leons Mutter war die Situation so belastend, dass sie Psychopharmaka einnehmen musste. Auch der Angeklagte fragte sich in einem Chat wenige Tage vor Leons Tod: "Wie oft kann man sich wieder aufrappeln? Ehrlich gesagt, keine Ahnung."

"Wer eins und eins zusammenzählen kann, muss sehen, dass der Angeklagte nicht Opfer einer Straftat geworden ist, sondern eine begangen hat",

findet Wüstner zum Schluss klare Worte. Die Gegendarstellung, der Angeklagte habe sein Kind geliebt und sei ein guter Mensch, stelle er nicht in Frage,

"aber auch die liebevollen Menschen sind zu Mord fähig. Wir verhandeln die Tat und nicht den Täter."

Sympathie spiele keine Rolle.