Angeklagter schildert "Blitzschlag im Kopf"

Gegen 23 Uhr sei die Familie ins Bett gegangen. In der Nacht wachte Leon auf. Der Angeklagte gab ihm Schnuller und Trinkflasche, die schob er allerdings weg und kletterte aus dem Kinderbett. Es sei klar geworden, dass aus Schlafen nichts wird.

Er sei mit Leon ins Erdgeschoß in die Physiopraxis, sie hätten herumgeblödelt. Leon sah, dass es draußen regnet und sauste zur Haustür. Leon wollte raus. Das war nicht ungewöhnlich, wurde aber seltener. Sie seien also rausgegangen und er räumte den Buggy ins Auto. Leon sei zum nahegelegenen Bauernhof, dort hätten sie aber "nicht mal Kühe gesehen".

Sie wollten wohin, wo was los war, so der Angeklagte. Er entschied sich für St. Johann, weil dort Hervis als Leons "großes Highlight" war. Kurz nach zwei Uhr habe er einen Stopp in Fieberbrunn gemacht, um Jause und Wasser aus einem Automat zu holen.

Der Vater spricht weiter mit belegter Stimme, sichtlich bewegt: Er habe bei M-Preis in St. Johann geparkt. Es sei komplett finster gewesen. Er habe den Buggy aus dem Auto geholt und sie seien losspaziert. Leon habe eine Unterführung mit Graffities geliebt, dort wurde ein Video aufgenommen, wie er hin- und hersaust. Wieder leichter Regen. Es falle ihm schwer, zu sagen, was er aus der Erinnerung wisse und und was aus dem Akt, erklärt der Angeklagte und bittet um Nachsicht.

"Wir hörten schon das laute Rauschen der Ache."

Sie seien über eine beleuchtete Brücke zu einem Park bei der Ache gegangen. Ein Mann trat aus der Dunkelheit auf ihn zu und lief über die Brücke in Richtung Wohngebiet. Das sei etwa zwei Stunden vor dem Überfall gewesen. Vater und Sohn gingen über eine zweite Brücke, es sei toll für Leon gewesen, weil er die Ache sehen konnte. Bei einem Brunnen warf Leon seine Kappe ins Wasser, "sein neuester Schmäh", erzählt der 39-Jährige.

Die beiden seien durch die Stadt zum Hervis gegangen und dort eine Weile geblieben. Der zeitliche Ablauf falle ihm schwer zu rekonstruieren, sagt der Angeklagte mehrfach. Mit mehreren Zwischenstopps bei Brunnen, Wahlplakaten und Gullys, die Leon mochte, haben sie schließlich den Rückweg angetreten. Es habe wieder zu regnen begonnen und er habe den Schirm aufgespannt.

"Es war unglaublich laut von der Ache, wie ein Wasserfall. Ich musste immer ins Gesicht von Leon schauen, um mit ihm zu kommunizieren."

Darum habe er wohl nicht wahrgenommen, dass sich jemand nähert. Die Brücke kam schon in Sicht, das Auto sei nicht mehr weit gewesen. Dann habe er einen "Blitzschlag im Kopf" gespürt. Besser könne er das Gefühl nach zwei Jahren nicht mehr beschreiben.

"Meine nächste Erinnerung ist, dass ich in einer völlig anderen Welt zu mir komme. Ich weiß auch nicht mehr, ob mir schlecht war."

Sanitäter hätten den Kinderwagen gesehen und gefragt, wo das Kind sei.

"Ich war in Panik."

Auf Nachfrage von Richter Andreas Fleckl sagt der Angeklagte, er habe die Flasche nicht wahrgenommen. Im Fach des Kinderwagens hätte sich oft auch Müll gesammelt. Erst durch die Pressemitteilung der Polizei habe er von der Flasche erfahren.

Ein "richtig starkes Gefühl" sei im Krankenhaus aufgekommen. Beim Umziehen habe er gemerkt, dass Handy und Geldtasche weg waren. In seiner Tasche habe er einen Schnuller seines Sohnes gefunden. Barfuß sei er aus dem Krankenhaus und habe den Schnuller den Ermittlern übergeben für die Geruchsspur des Suchhunds.

"Für mich war das eine sehr wahrscheinliche Möglichkeit, dass Leon in den Fluss gegangen ist.

Er habe Wasser geliebt und konnte noch nicht schwimmen.

"Das hat dann die große Panik bei mir ausgelöst."

Auf Nachfrage zu seinem Webverlauf erklärt der Angeklagte, er sei mit seiner Tochter, seiner Mutter und seinem Stiefvater essen gegangen. Dabei sei das Gespräch auf den Jesolo-Urlaub und Feuerquallen gekommen. Er habe zum Handy gegriffen und unter anderem nach "Quallen" und "Bewusstlosigkeit" gesucht.

Zu den Videos erklärt der Angeklagte, er habe häufig welche aufgenommen für die Facebook-Seite des Vereins.