Auch ich habe gewonnen
Der Finalsieg von Jannik Sinner über Sascha Zverev bei den Australian Open war ein emotionaler. Und ich hatte dabei das Gefühl, auch gewonnen zu haben, denn ich fühle mich mit dem Südtiroler in gewisser Weise verbunden. Mir nötigt es Respekt ab, wie er die schon so lange andauernde Situation rund um die Doping-Anschuldigungen weggesteckt hat, wie er normal geblieben ist. Du kannst mit ihm jederzeit reden, niemals stellt er sich in einem Gespräch über dich.
Mich beeindruckt, wie er gestern auf jede Herausforderung im Match reagierte. Wie er den Aufschlag von Zverev neutralisierte und keine Schwäche zeigte. Der Deutsche war in keinem seiner Major-Finalspiele weiter von einem Sieg entfernt als gestern, selbst bei den French Open im vergangenen Jahr gegen Carlos Alcaraz oder bei den US Open 2020 gegen Dominic Thiem nicht. Sascha arbeitet an seiner Aggressivität, eines Tages wird er seinen Grand-Slam-Erfolg feiern.
Was Jannik Sinner betrifft, bin ich mir sicher, dass er vom Dopingvorwurf letztlich freigesprochen wird. Wie fair wäre es denn, wenn einer für den Fehler eines anderen aus seinem Team – in dem Fall seines Physiotherapeuten – bezahlen muss? Und wenn Jannik wirklich Dreck am Stecken hätte, dann könnte er nicht so eine Leistung abliefern wie gestern in Melbourne.
Zu altmodisch für Coaching
Seit vergangenem Jahr ist On-Court-Coaching beim Tennis bereits erlaubt, bei den Australian Open in Melbourne wurde dieses Konzept erweitert: In einer eigenen Courtside Box am Rande des Spielfelds dürfen dort bis zu vier Teammitglieder des Spielers sitzen, um Anweisungen zu geben. Das ist prinzipiell immer dann möglich, wenn man auf der jeweiligen Seite des Feldes spielt, wo dieser Bereich eingerichtet wurde.
Für mich war es gleich zu Beginn der Australian Open interessant zu sehen, wie sich dieses Thema entwickelt, speziell im Fall von Ex-Spieler Andy Murray und seinem Schützling Novak Djokovic, die schon im ersten Match viel miteinander kommunizierten. Der Brite kennt den Serben aus der gemeinsamen Zeit schließlich in- und auswendig.
Was ich davon halte? Nun, ich bin wohl ein wenig zu altmodisch, um das von vornherein gut zu finden. Tennis ist aus meiner Sicht ein sehr traditioneller Sport, die Lösung für taktische Probleme muss aus meiner Sicht jeder selbst finden und dann auch umsetzen. Aber für junge Spieler ist das möglicherweise anders und auch für Zuschauer ergeben sich durch den Einfluss von außen neue Aspekte.
Herzerfrischendes Wunderkind
Wie herzerfrischend ist die erst 17-jährige Mirra Andrejewa! Es gibt immer wieder Ausnahmetalente, die so jung schon den Durchbruch schaffen. Monica Seles etwa einst, Jennifer Capriati oder Martina Hingis, die mit 16 Jahren schon die Nummer eins der Welt war. Doch diese Ausnahmen sind viel seltener geworden. Auch weil es inzwischen Altersbeschränkungen des Weltverbandes WTA gibt. So ist es heute unter 14-Jährigen gar nicht mehr erlaubt, WTA-Turniere zu bestreiten. Bis zum 18. Geburtstag gibt es Beschränkungen. Regeln, die man zum Schutz junger Spielerinnnen einführte. Capriati war nicht die Einzige, die nach dem Durchbruch in so jungen Jahren später eine schwierige Zeit durchmachte.
Andrejewa braucht jetzt ein gutes Umfeld. Es prasselt derart viel auf sie ein, der Rummel ist bereits riesig und wird sicher größer. Seit Kurzem steht ihr Conchita Martinez zur Seite, die Wimbledon-Siegerin 1994 und eine Freundin von mir. Ich denke, Andrejewa ist bei ihr in den besten Händen, Conchita weiß, was den Teenager erwartet.
Andrejewa wird keine Eintagsfliege sein. Sie agiert bereits beständig auf dem Platz. Dass sie ihren Matchplan vergisst, wie sie nach dem Sieg gegen Australian-Open-Siegerin Sabalenka gestand, glaube ich zwar weniger, aber sie wendet vieles intuitiv richtig an und hat Spielwitz. So etwas kann man sich kaum antrainieren.
Alle gegen den „Djoker“: Kraftakt hatte kein bleibendes Happyend
Ich hätte es besser wissen müssen: Als Novak Djokovic in seinem Achtelfinalmatch gegen Francisco Cerundolo mit dem Rücken zur Wand stand, mit seinem lädierten Knie, dem – aus seiner Sicht – rutschigen Platz, seiner Box, dem Schiedsrichter, dem Oberschiedsrichter, kurzum mit sich und der Welt haderte, hatte ich den Serben nicht mehr wirklich auf dem Zettel. Diesmal, dachte ich mir, wird das nichts mehr. Zu groß schienen mir seine Schmerzen, zu fahrig und missmutig reagierte der Serbe, der überall das Übel, nur nicht bei sich selbst suchte.
Doch letztlich war es so, wie es halt fast immer ist beim „Djoker“. Wenn sich vermeintlich alles und jeder gegen ihn zu verschwören scheint, dann zieht er genau daraus so etwas wie Superkräfte. Und als die Schmerzmittel zu wirken begannen und die Körperlichkeit mehr und mehr zurückkehrte, spielte er in den entscheidenden Momenten sein bestes Tennis. So ist er eben. Nicht umsonst hat er 24 Grand-Slam-Titel gewonnen. Wie er das mit seinen 37 Jahren schafft und wie er über die vielen Jahre mit diesem ständigen Mega-Druck umgeht, ist mir ein Rätsel. Und doch hatte dieser Kraftakt kein bleibendes Happyend. Novak musste für das Viertelfinale gegen Ruud verletzungsbedingt passen. Sehr, sehr schade. Dass nahezu zeitgleich die neue Nummer 1, Jannik Sinner, in die Vorschlussrunde einzog, ist nur ein Indiz, dass die Zukunft bereits begonnen hat.
Du kannst nicht alles trainieren
Es war augenscheinlich, dass Sebastian Ofner in seinem Drittrundenmatch gegen den Franzosen Corentin Moutet die Kräfte verließen. Körperlich, aber auch geistig. Und das hat nichts damit zu tun, dass der „Ofi“ diesbezüglich nicht entsprechend vorbereitet gewesen wäre. Ganz im Gegenteil. Der Steirer zählt zu den Fittesten in der Szene, aber alles lässt sich ganz einfach nicht trainieren.
Der aus meiner Sicht entscheidende Knackpunkt dieser Partie war, dass der Franzose im Gegensatz zu Ofner einen Ruhetag hatte. Unfair? Natürlich. Aber das gehört zum Geschäft eines Tennisprofis ganz einfach dazu. Während andere Begegnungen aufgrund der seit Turnierbeginn anhaltenden Regenfälle abgebrochen bzw. verschoben wurden, spielte Ofner gegen den letzten verbliebenen Franzosen auf dem zweitgrößten Platz, dem seit heuer überdachten Suzanne Lenglen. Und wenn du dann noch gegen einen spielst, der laufend Mätzchen macht, das Publikum aufhetzt und jeder Punkt gegen dich frenetisch gefeiert wird, zehrt das zusätzlich an den Kräften. Hut ab, wie cool Ofi in vielen Situationen geblieben ist und er trotz des unvermeidlichen Aus noch alles Erdenkliche versucht hat.
Ob das Ergebnis ein anderes gewesen wäre, hätte Ofner ebenfalls einen Ruhetag gehabt? Ich bin überzeugt davon – nur leider stellt sich die Frage auch in der Nachbetrachtung nicht wirklich.
Das elfte Gebot: Du sollst dich nicht täuschen
War’s das? Endete mit dem Erstrunden-Aus von Rafael Nadal auch die schillerndste Sandplatz-Epoche der Tennisgeschichte? Ich denke ja – auch wenn sich der Mallorquiner im Vorfeld der Zverev-Partie eine Hintertür offen ließ und nicht von einem Abschied für immer sprechen wollte.
Dennoch kann ich mir nicht vorstellen, dass es der bald 38-Jährige im nächsten Jahr noch einmal probieren wird. Einzig und allein, weil sein Körper nicht mehr mitspielt.
Obwohl: Ich war mir schon früher sicher, dass seine Ausnahmekarriere eher frühzeitig enden würde. Zu kraftvoll, zu körperlich, zu ressourcenzehrend sein Spielstil. Doch wie heißt das elfte Gebot: Du sollst dich nicht täuschen.
Für mich war und ist es ein Privileg, Rafa auf seinem Weg begleiten zu dürfen. Er hat sich über die Jahre nie verändert, ist bis heute eher introvertiert, wirkt zuweilen sogar schüchtern, ist aber stets freundlich und immer am Boden geblieben. Ein Gentleman, ein Botschafter und auf ewig der König von Paris.
Für das, was er hier in Roland Garros geleistet hat, gibt es keine angemessenen Superlative. Ich kann mir jedenfalls beim besten Willen nicht vorstellen, dass irgendeiner an seine 14 Grand-Slam-Triumphe bei einem Turnier herankommen kann.
Wann genau Rafa nun seine Schläger ins Eck stellt, wird sich weisen. Ein Olympia-Doppel mit Carlos Alcaraz wäre noch einmal was Großes. Ich wünsche ihm jedenfalls einen ähnlich unvergesslichen Abschied, wie ihn Roger Federer beim Laver Cup im Herbst 2022 hatte. Allein der Gedanke daran treibt mir das Wasser in die Augen ...
Linz-Upgrade ein Riesenschritt
Mit der Aufwertung vom 250- zum 500-Punkte-Turnier ist den Upper Austrian Ladies in Linz etwas ganz Großes gelungen. Es war schon davor die größte Damen-Veranstaltung Österreichs, nun steht es auf einer Stufe mit den Erste Bank Open. Das macht am Ende einen Riesenunterschied, denn nun ist das Turnier nicht mehr limitiert und kann alle zehn Top-Ten-Spielerinnnen verpflichten, wie Aryna Sabalenka, Cori Gauff oder Iga Swiatek. Dass das nun gelungen ist, zeigt auch die Wertschätzung der WTA gegenüber Linz. Ich weiß, was das Team um Turnierdirektorin Sandra Reichel dort leistet und was für ein Elan und welche Leidenschaft vorhanden sind. Daher freut es mich umso mehr.
Wer genau dann aufschlägt, wird sich erst später herausstellen, weil der Termin, 28. Jänner bis 3. Februar, direkt nach den Australian Open ist. Die Finalisten werden da nicht unbedingt antreten. Aber kurzfristig kann sich noch einiges tun. Vor allem, weil das Turnier jetzt mit mehr Punkten attraktiver ist. Und zu guter Letzt ist es auch für unsere Tennis-Jugend wichtig, dass sie die besten Spielerinnen im eigenen Land sehen kann. Das kann inspirierend wirken für die Kinder, wenn sie das echte Tempo sehen. So wie es eben erst in der Wiener Stadthalle der Fall war. Das kann nur positiv sein. Und schön ist auch, dass Österreich international wieder mehr beleuchtet wird.
Da muss man abbrechen
Es war ein Wahnsinn am Mittwoch, nicht auszuhalten die Hitze mit der hohen Luftfeuchtigkeit. Nach einer halben Stunde im Freien war ich komplett durchgeschwitzt, John McEnroe neben mir ebenso. Dabei sind wir nur gestanden, haben nicht Tennis gespielt. Unbeschreibbar, wie sich das am Platz anfühlen muss. Medwedew und Rublew war das schon am Ende des ersten Satzes anzusehen. Wenn die Bedingungen so sind, muss man eigentlich abbrechen. Das Spiel hat dann auch nichts mehr mit Tennis oder Taktik zu tun. Es geht nur noch darum, wer am Ende noch auf dem Platz stehen und sich auf den Beinen halten kann.
Von den Temperaturen her mag es bei den Australian Open mitunter heißer sein, aber die hohe Luftfeuchtigkeit hier verschärft die Bedingungen in New York enorm. Das Dach des Arthur-Ashe-Stadions war auch halb geschlossen, um vor der Sonne zu schützen, doch im Gegensatz zur Rod-Laver-Arena in Melbourne hat man hier in Flushing Meadows keine Klimaanlage. Die Auswirkungen auf den Körper sind dabei eklatant. Ich selbst hatte vor Jahren hier ein langes Spiel mit einer 6:7-Niederlage im dritten Satz und brauchte, weil ich vor Enttäuschung nichts getrunken oder gegessen habe, Wochen, um wieder fit zu sein. Die Erholung wird auch jetzt der entscheidende Faktor für den Titelgewinn sein.
Das tut dem Kopf nicht gut
Gastritis, Reflux oder doch ein auch in New York grassierender Magen-Darm-Virus – erst eine umfangreiche medizinische Abklärung in der Heimat wird für Dominic Thiem und sein Team Aufschluss bringen. Und hoffentlich die Möglichkeit zur schnellstmöglichen Bekämpfung der Beschwerden.
Losgelöst vom körperlichen Aspekt muss der Niederösterreicher auf seinem so beschwerlichen Weg zurück mit dem nächsten mentalen Rückschlag zurande kommen. Verlieren tut immer weh, aber just bei einem seiner Lieblingsturniere aufgeben zu müssen, schmerzt doppelt und dreifach. Denn bis zu seinem w. o. agierte Dominic gegen Ben Shelton, immerhin Viertelfinalist der Australian Open, auf Augenhöhe. Und das, obwohl er sich vor dem Match übergeben musste und ab Mitte des ersten Satzes von Magenkrämpfen geplagt war. Das zeigt nur, dass er sich zuletzt der Form vergangener Jahre annäherte.
Stattdessen aber reihen sich die US Open in eine lange Serie von wiederholten Nackenschlägen ein. Das tut dem Kopf nicht gut. Dieses wiederholte Zurückkämpfen, dieses Wollen, aber nicht können ist vor allem mental eine immense Belastung. So ein Weg zurück ist ein verdammt harter Weg – und Dominic wird am Sonntag 30. Kein Alter für einen Profi, aber doch: Einfacher wird es nicht werden.
WTA-Turnier in Kitz wäre toll
Wie mir zu Ohren gekommen ist, gibt es Interesse daran, in Kitzbühel ein Damen-Turnier auf WTA-Ebene zu veranstalten. Das wäre toll. Ich habe es immer geliebt, hier in Kitzbühel zu spielen, als es Anfang der 1990er-Jahre noch ein WTA-Turnier gab. Ich habe hier meine ersten Spiele gewonnen. Aber das Problem ist, dass es für ein kombiniertes Damen- und Herren-Turnier in derselben Woche einfach zu wenige Plätze gibt.
Ansonsten hat sich das ATP-Turnier in Kitzbühel ja schon längst gut entwickelt. Es ist ein Riesen-Zulauf von Tennis-Fans, die Wege sind für die Spieler nahe, die Kulisse ist atemberaubend. Es ist schön, dass es schon so lange besteht. Ich bin ja schon als Kind oft hier gewesen – mein Papa war Linienrichter, meine Mama hat die Kasse gemacht. Die Organisatoren machen hier einen grandiosen Job.
Kitzbühel hat seinen Platz in der ATP gefunden und richtig etabliert. Der Status als 250er-Turnier passt gut, eine bessere Lizenz kostet einfach auch viel mehr. Es wird immer wieder mal diskutiert, dass das Turnier in einer anderen Woche stattfindet. Aber 2024 direkt vor Olympia in Paris auf Sand hat man die Chance auf mehr Top-Spieler. Denn da bleiben viele in Europa.