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Zum Innenpolitik-Blog, Teil 1
Aufgrund des hohen Datenvolumens haben wir uns entschieden, einen neuen Innenpolitik-Blog zu starten. Die Nachlese unseres alten Blogs finden Sie hier:
Kurz: „Eines der größten Reformprojekte der Geschichte“
Die Regierungsspitze präsentierte am Dienstag ihre Sozialversicherungs-Reform. Durch die Verschlankung auf vier Krankenkassen will Schwarz-Blau eine Milliarde Euro einsparen. Die Zukunft der AUVA steht nach wie vor auf der Kippe.
Opposition kritisiert Kassenreform heftig
Alle drei Oppositionsparteien haben am Dienstag die Regierungspläne für die Reform der Sozialversicherungen heftig kritisiert. SPÖ, NEOS und Liste Pilz warfen der Koalition vor, vor allem eigene Machtinteressen zu verfolgen.
SPÖ-Gesundheitssprecherin Pamela Rendi-Wagner konstatierte die wohl "größte Umfärbeaktion der Zweiten Republik". Der Regierung gehe es nicht um die Gesundheit der Menschen, sondern um eine Verschiebung der Macht innerhalb der Sozialversicherung von den Arbeitnehmern hin zu den Arbeitgebern. Die angekündigte Milliarde kann ihrer Ansicht nach nur am Rücken der Patienten durch Kürzungen der Leistungen eingespart werden, weil die gesamten Verwaltungskosten der Kassen nur bei knapp 500 Mio. Euro liegen.
Die NEOS sehen in der angekündigten Reform nur einen "Marketing-Gag". Sozialsprecher Gerald Loacker vermisst sowohl die Einhebung der SV-Beiträge durch das Finanzamt als auch eine tatsächliche Neuaufstellung der Sozialversicherungen. Und weil die Regierung die Privilegien der Beamten weiter schütze, werde die größte Ungerechtigkeit im System gefestigt. Dass die 15 Krankenfürsorgeanstalten unangetastet bleiben, hält Loacker für einen Kniefall vor den Ländern.
Ebenso wie die SPÖ fürchtet auch die Liste Pilz Leistungseinschränkungen für die Versicherten. Wenn die Einsparungen auch durch Harmonisierungen erreicht werden sollen, müssten großzügigere Kassen ihre Leistungen auf das Niveau anderer senken, meinte Gesundheitssprecher Peter Kolba. Die Liste Pilz sammelt im Internet www.buergerrechte.online Beschwerden über sichtbare Einsparungen im Gesundheitssystem.
Kurz und Strache wollen "aufgeblähtes System" vereinfachen
Vieles, was von "Gegnern" der Kassen-Umstrukturierung in Umlauf gebracht worden sei, stimme nicht, meinte Kurz: Dass man Spitäler schließe, Leistungen kürze oder eine Umfärbung stattfinde, "all diese Aussagen sind nicht richtig". Man versuche, das "aufgeblähte System" zu vereinfachen. "Verlierer dieser Reform sind definitiv die Vertreter des Systems", verwies Kurz auf die geplante Reduktion von Funktionären und Generaldirektoren.
Auch Strache hob in seinem ausnehmend ausführlichen Statement diesen Punkt hervor und sprach von einer "sehr dicken Suppe mit vielen Köchen", die "nicht notwendig" seien. In die "überbordende Verwaltung" fließe zu viel Geld, befand er. Das derzeitige System sei aber nicht fair und nicht zeitgemäß. "Soziale Sicherheit ist die Grundlage der Demokratie", meinte auch Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ), "wir sichern ein faires, gerechtes Sozialversicherungssystem".
Bis 2023 werde man eine Milliarde Euro einsparen, versprach die Regierung. Wie genau diese Summe zustande kommt, wurde aber auch auf Nachfrage nicht konkret erläutert. Die von der AUVA verlangten 500 Millionen Euro an Einsparungen seien darin jedenfalls nicht enthalten. Hartinger-Klein verwies etwa auf Einsparungen durch einen zentralen Einkauf oder ein zentrales IT-Rechenzentrum.
Die vollständige Pressekonferenz zur Kassenreform
Kritik von ÖGB, AK und Kassen an der Reform
Die geplante Reform der Sozialversicherungen hat bei Gewerkschaft, Arbeiterkammer und Kassen heftige Kritik ausgelöst. Licht und Schatten sieht Hauptverbandschef Alexander Biach. Industrie und Landwirtschaft begrüßten die Regierungspläne.
Biach begrüßt ausdrücklich den Fortbestand der Selbstverwaltung, das Verbleiben der Beitragseinhebung bei der Sozialversicherung, das grundsätzliche Bekenntnis zur AUVA und vor allem die angekündigte Umsetzung in Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern. Bei etlichen Themen, wie der Ausgestaltung der Gremien, der Beitragsprüfung, der Leistungsharmonisierung und den angeführten Einsparungen, ortet der Hauptverbands-Vorsitzende aber Klärungsbedarf.
Der Leitende ÖGB-Sekretär Bernhard Achitz warnte vor drohenden schlechteren Leistungen für die Patienten. Den Widerstand gegen Leistungskürzungen wolle die Regierung mit der "Enteignung der versicherten Arbeitnehmer" brechen, sagte Achitz. Achitz hält die Reform für "eine Nebelgranate, mit der die Bundesregierung von ihrem Anschlag auf die Gesundheitsversorgung ablenken will". Weiters kritisierte er, dass die Unterschiede zwischen Beamten und GKK-Versicherten noch größer würden.
Auch die Obfrau der Wiener Gebietskrankenkasse und Vorsitzende der Trägerkonferenz im Hauptverband, Ingrid Reischl, hält die Arbeitnehmer für die "großen Verlierer der Reform." Wenn die Finanz künftig die Beiträge prüft, hat sie die Sorge, dass die Kollektivverträge nicht mehr eingehalten oder Überstunden nicht mehr ausgezahlt werden. Das werde sich "in der Geldbörse bemerkbar machen"
Arbeiterkammer-Präsidentin Renate Anderl hält die Pläne der Regierung für "unprofessionell". Sie mache "aus neun Kassen zehn, lässt letztlich Leistungskürzungen befürchten und verschleiert die Kontrolle und die Transparenz für die Versicherten".
Die Industriellenvereinigung begrüßt hingegen die Pläne, für Präsident Georg Kapsch beweist die Regierung damit "Verantwortungsbewusstsein für die Zukunft".
Obmann Ofner glaubt an Fortbestand der AUVA
Der Obmann der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt (AUVA), Anton Ofner, geht von einem weiteren Fortbestehen seines Trägers aus. Er sieht in der von der Regierung vorgelegten Punktation "durchaus einen Fortschritt".
Ofner bezog sich damit darauf, dass die Regierung nun auch Einsparungspotenziale angesprochen hat, die gesetzlicher Maßnahmen bedürfen oder nur im Verhandlungsweg mit anderen Sozialversicherungsträgern oder Gebietskörperschaften zu erreichen sind. Wenn die AUVA die Entgeltfortzahlungen für Arbeitnehmer und die zu geringe Vergütung für Freizeitunfälle bzw. die zu hohen Zahlungen für Arbeitsunfälle abgegolten bekomme, sei die geforderte Einsparung in der Größenordnung von 500 Mio. Euro zu erreichen, meinte Ofner.
Ermittlungen eingestellt: Pilz vor Parlaments-Comeback
„Der Rückkehr ins Parlament steht jetzt nichts mehr im Weg. Ich habe mein Vertrauen an den Rechtsstaat wiedergewonnen“, sagte Pilz in einer ersten Stellungnahme gegenüber der Tiroler Tageszeitung.
Thomas Langpaul (ORF): "Gewinner und Verlierer bei Leistungen"
ORF-Reporter Thomas Langpaul ist der Meinung, dass es nach der Zusammenlegung der Krankenkassen die gleichen Leistungen geben wird, das Niveau dieser Leistungen ist jedoch unklar.