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Neue Regierung

Das türkis-grüne Programm im Detail

Am Donnerstag haben ÖVP-Chef Sebastian Kurz und Grünen-Chef Werner Kogler das Regierungsprogramm präsentiert. In dem 326 Seiten umfassenden Papier legten ÖVP und Grüne unter dem Titel "Aus Verantwortung für Österreich" ihre Pläne bis 2024 vor.

Einige potenzielle Konfliktthemen blieben offen. In ihrer "Präambel" nannten ÖVP und Grüne acht Schwerpunkte - allen voran eine "spürbare Entlastung der arbeitenden Menschen", die Bekämpfung des Klimawandels und die Einhaltung der Pariser Klimaziele.

Dazu kommen Wirtschaftsstandort, Armutsbekämpfung, Migration und Integration, Bildung, nachhaltige Finanzen sowie mehr Transparenz.

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🎥 Video: Kurz und Kogler präsentieren das Regierungsprogramm

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Klimaneutralität bis 2040

Das erwartete große Klimaschutz-Paket der türkis-grünen Koalition besteht aus vielen einzelnen Maßnahmen bzw. Überschriften, die zum Teil noch mit Inhalt gefüllt werden müssen. Das große Ziel ist es, Österreich bis 2040 klimaneutral zu machen. Bis 2030 soll der Strom zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energiequellen kommen. Geplant sind auch ein Österreich-Ticket, der Öffi-Ausbau und ein Klimacheck für alle neuen Gesetze.

KLIMANEUTRALITÄT: Mit einem Paris-kompatiblen CO2-Budget und dementsprechenden Reduktionspfaden, soll bis spätestens 2040 die Klimaneutralität in Österreich erreicht werden. Eine unmittelbare Nachbesserung und Konkretisierung des Nationalen Energie- und Klimaplans (NEKP) ist hier ebenso vorgesehen, wie auch ein Klimaschutzgesetz mit verbindlichen Reduktionspfaden bei den Treibhausgasen bis 2040 und verbindlichen Zwischenzielen bis 2030. Es sollen dabei Ziele für alle Sektoren geschaffen werden und ein Verantwortlichkeitsmechanismus zwischen Bund und Ländern für die Zielerreichung und bei Zielverfehlung fixiert werden.

STEUERN: Die von den Grünen geforderte Ökologisierung des Steuersystems ist im Regierungsprogramm noch teilweise unkonkret und soll von einer Task Force erstellt werden (siehe eigene Meldung "Steuerreform"). Konkret ist die Ankündigung, die Flugticketabgabe einheitlich auf 12 Euro festzulegen, womit sie für Kurz- und Mittelstrecken (bisher 3,5 bzw. 7,5 Euro) teuerer und für Langstecken (bisher 17,5 Euro) billiger wird.

KLIMACHECK: Auch in anderen Bereichen sind einige Überschriften ohne konkreten Inhalt zu finden. Man will sich aber generell als Vorreiter in Sachen Klimaschutz positionieren. Dazu sollen unter anderem alle neuen Gesetze einem Klimacheck unterzogen werden. Die Bundesfinanzierungsagentur ÖBFA soll "Green Bonds" ausgeben. Und man will sich gegen "Green Washing" bei der Festlegung von Nachhaltigkeitsklassifizierungen stark machen. Angekündigt wird auch eine "signifikante Erhöhung" des österreichischen Beitrags zum Green Climate Fund und eine unmittelbare Nachbesserung und Konkretisierung des Nationalen Energie- und Klimaplans (NEKP). Die öffentliche Verwaltung soll mit gutem Beispiel vorangehen und klimaneutral werden.

VERKEHR: Im Verkehrsbereich sind viele Maßnahmen geplant, darunter ein Österreich-Ticket und eine nationale Buchungsplattform für alle Ticketsysteme des öffentlichen Verkehrs. Mit zwei Öffi-Milliarden sollen der öffentliche Nah- und Regionalverkehr ausgebaut werden.

- Im Bereich des Gebäudebaus werden u.a. ein Ausstieg aus Öl- und Kohleheizungen bis 2035 und die von den Grünen im Wahlkampf forcierten Solaranlagen ("Eine Million Photovoltaik-Dächer-Programm") angepeilt. Geplant ist auch eine Sanierungsoffensive mit einem Förderprogramm für die thermisch-energetische Sanierung von Nutzgebäuden.

PLASTIK: Weiters sollen die Kreislaufwirtschaft etwa durch steuerliche Begünstigungen für Reparaturdienstleistungen und den Verkauf reparierter Produkte sowie die Reduktion von Plastik forciert werden. Geplant sind auch eine Bodenschutzstrategie, eine Biodiversitätsstrategie, Verbesserungen bei der Kennzeichnung von Lebensmitteln und eine Stärkung des biologischen Landbaus (s. auch eigene Meldung "Landwirtschaft").

Transparenz für Staat und Parteien

Ein Kernpunkt der grünen Regierungsbeteiligung soll ein Transparenzpaket sein, das hat Parteichef Werner Kogler schon früh in den Verhandlungen klar gemacht. Für die Regierungsprogramm versprochene Abschaffung des Amtsgeheimnisses brauchen sie aber eine Zweidrittelmehrheit im Parlament und damit die Unterstützung von SPÖ oder FPÖ. Geplant ist auch - einmal mehr - eine Reform des Parteiengesetzes.

INFORMATIONSFREIHEIT: Das Amtsgeheimnis - derzeit noch in der Verfassung abgesichert - wollen ÖVP und Grüne abschaffen. Stattdessen soll es ein einklagbares Recht auf Informationsfreiheit geben, das auch gegenüber nicht börsenotierten öffentlichen Unternehmen gelten soll. Auch der Zugang zu Dokumenten (und nicht nur zu Informationen) wird erlaubt. Die Frist dazu beträgt vier bis acht Wochen. Gebühren sind nicht vorgesehen. Und Informationen von allgemeinem Interesse sollen aktiv veröffentlicht werden.

- Allerdings sind auch zahlreiche Ausnahmen vorgesehen. Keine Auskunft erteilt werden muss demnach, wenn das im Interesse der Sicherheit oder Außenpolitik nötig ist, wenn personenbezogene Daten zu schützen sind, wenn "erheblicher wirtschaftlicher oder finanzieller Schaden" droht oder wenn behördliche Entscheidungen oder Ermittlungsverfahren geschützt werden müssen. Die Datenschutzbehörde soll Behörden diesbezüglich "Beratung und Service" bieten.

RECHNUNGSHOF: Die Prüfkompetenzen sollen erweitert werden - und zwar sowohl bei Parteien als auch Unternehmen. In die Parteifinanzen soll der Rechnungshof bei konkreten Anhaltspunkten Einschau nehmen dürfen. Unternehmen sollen schon ab 25 Prozent Staatsanteil geprüft werden dürfen. Ausgenommen sind börsenotierte Staatsfirmen.

PARTEIEN: Die Transparenz der Parteifinanzen wollen ÖVP und Grüne erhöhen. Konkret sollen alle Spenden über 500 Euro nach spätestens drei Monaten offengelegt werden, Spenden ab 2.500 Euro weiterhin sofort. Anonyme Spenden werden mit 200 Euro begrenzt. Umgehungsstrukturen über nahestehende Organisationen sollen verhindert, bei illegalen Spenden auch Sanktionen gegen Spender geprüft werden. Und die Spendengrenze wird gelockert: Kleinspenden bis 100 Euro sollen in die maximal 750.000 Euro pro Jahr nicht eingerechnet werden.

Neu gestaltet werden sollen die Rechenschaftsberichte der Parteien. Nicht öffentlich gemacht werden soll aber, bei welchen Banken Parteien Kredite laufen haben - diese Information soll nur an den Rechnungshof gehen. Dafür werden die Strafen bei Überschreitung der Wahlkampfkostengrenze neuerlich erhöht.

VERFASSUNG: Auch einen Dauerbrenner wollen ÖVP und Grüne wieder angehen, nämlich einen österreichischen Grundrechtskatalog inklusive Verankerung der Menschenwürde.

WAHLEN: Nach den Turbulenzen bei der Bundespräsidentenwahl wollen ÖVP und Grüne nun prüfen, ob die Briefwahlstimmen noch am Wahlsonntag ausgezählt werden sollen. Außerdem Teil einer geplanten Wahlrechtsreform: Drei Wochen vor der Wahl soll es eine vorgezogene Wahlmöglichkeit für Briefwähler geben, außerdem ist eine einheitliche Abgeltung für Beisitzer angedacht und Maßnahmen gegen den Beschluss von Wahlzuckerln kurz vor dem Urnengang will man prüfen.

FINANZAUSGLEICH: Für die 2020 anstehenden Finanzausgleichsverhandlungen ist eine Reihe von Änderungen vorgesehen. So sollen "kooperationsbereite Gemeinden" unter bestimmten Bedingungen mehr Geld erhalten. Die Mittel sollen an die Einhaltung der Klimaziele geknüpft werden. Einmal mehr im Programm steht auch der Dauerbrenner "Steuerautonomie für Länder und Gemeinden". Geprüft werden soll auch die Reform der Gemeindesteuern. Seit Jahren in Diskussion steht hier eine höhere Bemessungsgrundlage für die Grundsteuer, die allerdings nicht namentlich genannt wird.

VOLKSGRUPPEN: Ihre Förderung soll erhöht und ihre "Sichtbarmachung" im ORF gestärkt werden. Außerdem sollen Volksgruppensprachen als "Amtssprache im virtuellen Raum" gelten (z.B. beim Finanzamt oder auf Gemeinde-Websites).

Steuerreform kommt, CO2-Bepreisung offen

Die von der türkis-blauen Regierung geplante Steuerreform will die ÖVP nun mit den Grünen umsetzen. Im Regierungsprogramm vorgesehen ist sowohl die Senkung der Lohn- und Einkommensteuertarife als auch die starke Senkung der Körperschaftsteuer auf Unternehmensgewinne. Geplant ist auch eine "CO2-Bepreisung" und - in Etappen - eine ökologische Steuerreform, wofür es eine "Task-Force" geben soll.

STEUERREFORM: Die von der türkis-blauen Regierung geplanten Steuersenkungen wollen auch die Grünen zum Gutteil mittragen. So sollen die Lohn- und Einkommensteuertarife von 25 auf 20 Prozent, von 35 auf 30 und von 42 auf 40 Prozent sinken. Kräftig reduzieren will die Regierung auch die Körperschaftsteuer auf Unternehmensgewinne (25 auf 21 Prozent). Gewinnbeteiligung von Mitarbeitern soll begünstigt werden. Das Einkommensteuergesetz soll - einmal mehr - neu kodifiziert werden. Sakrosankt bleibt dabei aber die Begünstigung des 13./14. Monatsgehalts.

ÖKOLOGISIERUNG: Das Regierungsprogramm enthält zwar ein Bekenntnis zur "Kostenwahrheit bei den CO2-Emissionen" ab 2022. Welches Modell für eine "CO2-Bepreisung" gewählt wird (bestehende Abgaben oder nationaler Emissionshandel) bleibt aber offen. Hierzu soll es eine "Task Force ökosoziale Steuerreform" unter Leitung des Umwelt- und des Finanzministeriums geben. Versichert wird, dass das keine Mehrbelastung für Private bringen soll. Die Flugticketabgabe wird auf 12 Euro vereinheitlicht (also für Kurz- und Mittelstreckenflüge teurer, für die Langstrecke billiger). Die NoVA soll "ökologisiert" werden, also neu berechnet und der Deckel für teure Autos gestrichen. Flugkerosin und Schiffsdiesel soll international oder auf EU-Ebene besteuert werden. Dort will man sich auch für CO2-Zölle einsetzen. "Ökologisiert" werden soll auch die Lkw-Maut und das Pendlerpauschale.

AKTIEN: Wieder einführen wollen ÖVP und Grüne die 2012 gestrichene Spekulationsfrist ("Behaltefrist"), um Aktien-Kursgewinne von der Kapitalertragsteuer zu befreien. Die private Pensionsvorsorge wollen sie stärken.

BUDGET: Am Nulldefizit will die Regierung ebenso festhalten wie am Ziel, die Staatsschulden unter die auf EU-Ebene vorgegebene Grenze von 60 Prozent der Wirtschaftsleistung zu senken. Berücksichtigt werden soll dabei aber sowohl die konjunkturelle Entwicklung als auch die Finanzierung des Klimaschutzes. Wörtlich heißt es dazu: "Unabhängig davon werden die notwendigen Klima- und Zukunftsinvestitionen sichergestellt." Angedacht wird auch eine "Bürger-Stiftung Klimaschutz".

Österreichweites Öffi-Ticket um 3 Euro

Im Verkehrsbereich plant Türkis-Grün ein österreichweites Öffi-Tickets als "klimaschonende Alternative" zum Auto - es soll drei Euro pro Tag, also 1.095 Euro im Jahr, kosten. Für ein Bundesland soll es einen Euro pro Tag und für zwei Bundesländer zwei Euro pro Tag kosten. Für junge Menschen soll es eine noch günstigere Variante geben.

  • Auch durch eine Senkung der Energieabgabe auf Bahnstrom auf das europäische Durchschnittsniveau sollen Zug-Fahrscheine günstiger werden. Die Finanzierung des Öffentlichen Verkehrs sollen ÖVP und Grüne auf neue Beine stellen, mit einer einheitlichen multimodalen Buchungsplattform mehr Tarif-Transparenz erreichen - und den Verkehr zur einer Mobilitätsdienstleistung (Mobility as a Service) machen.
  • Verbessert werden soll das Angebot des Öffentlichen Verkehrs. Konkret ist von einem "weitgehend stündlichen, ganztägigen ÖV-Angebot in ganz Österreich" die Rede. Dazu ist an zwei Stellen eine "Öffi-Milliarde" angeführt, einmal für den Nahverkehr in und um Ballungsräume und ein zweites Mal für den Regionalverkehr im ländlichen Raum.
  • Allerdings stehen da noch Verhandlungen mit den Ländern an: "Die Mittelzuteilung aus Nahverkehrs- und Regionalverkehrsmilliarde erfolgt unter der Maßgabe der Kofinanzierung durch die Bundesländer in einem noch zu vereinbarenden Schlüssel." An den Bahnhöfen ausgebaut werden sollen für die Pendler die Anlagen für Park&Ride und Bike&Ride.
  • Im Flugverkehr wird die Ticketabgabe künftig mit einheitlich 12 Euro pro Flug festgelegt. Auf der Kurzstrecke ist das eine deutliche Erhöhung um über 240 Prozent (bisher 3,50 Euro), auf der Mittelstrecke beträgt die Erhöhung 60 Prozent (bisher 7,50 Euro) und auf der Langstrecke (derzeit 17,50 Euro) sinkt sie um etwas mehr als 30 Prozent. Damit trifft die Änderung vor allem Billigflieger, die im Gegensatz zur AUA keine Langstreckenverbindungen anbieten. Eine Kerosinsteuer auf nationaler Ebene kommt nicht. Flugtickets bleiben auch weiter mehrwertsteuerfrei.
  • Der Auto- und Busverkehr soll in den nächsten Jahren zunehmend elektrisch werden. "Wenn möglich schon ab 2022", spätestens bis 2017 soll die Beschaffung des Fuhrparks der öffentlichen Hand auf emissionsfreie Fahrzeuge umgestellt werden, Autos mit Diesel- oder Benzinmotor müssen dann begründet werden. Ausnahmen gibt es für Sonderfahrzeuge wie z.B. Panzer.
  • Auch Dienstwägen in Firmen sollen durch stärkere steuerliche Anreize CO2-frei werden. Die Normverbrauchsabgabe (NoVA) beim Kauf eines Neuwagens soll noch stärker ökologisiert werden. Nicht angetastet werden dürfte hingegen das sogenannte Dieselprivileg, also die steuerliche Förderung von Diesel gegenüber Benzin.
  • Beim Radverkehr setzt sich die neue Regierung übrigens die selben Ziele wie ÖVP und FPÖ. Der Anteil soll bis 2025 auf 13 Prozent verdoppelt werden. Flankiert wird das Ziel dieses Mal aber von einem "Radpaket" und einem "Aktionsprogramm für Kinder". Vorgesehen ist unter anderem den Ausbau von Radwegen, auch am Land. Fußgänger sollen in der Straßenverkehrsordnung (StVO) und im Straßenraum ebenfalls stärker berücksichtigt werden. Vor Schulen, im Ort sowie an Unfallhäufungsstellen ("auch auf Landesstraßen") soll die Verkehrssicherheit durch Temporeduktionen erhöht werden.
  • Auch wegen des Schadstoffausstoßes sollen die Geschwindigkeiten auf Österreichs Straßen sinken, konkret wird das unter Ex-Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) Pilotprojekt "140 km/h auf Autobahnen" umgehend beendigt und die teils hohen Toleranzgrenzen bei Geschwindigkeitskontrollen sollen der Vergangenheit angehören.

Maßnahmen für Kampf gegen Transit

Im türkis-grünen Regierungsprogramm finden sich auch etliche Maßnahmen im Kampf gegen den Transit.

  • Neben dem allgemeinen Ziel der Verlagerung des Gütertransportes von der Straße auf die Schiene will sich die künftige Bundesregierung auf europäischer Ebene unter anderem für eine EU-Wegekostenrichtlinie mit Mindest- statt Höchstmautsätzen und einer Korridormaut zwischen München und Verona einsetzen.
  • Ziel der Korridormaut sei eine Angleichung der Kosten an andere Transitstrecken über die Alpen (z.B. über die Schweiz). Auch soll ein Vorschlag an die Europäische Kommission zur Überarbeitung der Europäischen Richtlinien (Wegekostenrichtlinie, Eurovignette) erarbeitet werden, um eine größere Flexibilität bei der Mauttarifgestaltung für Lkw zu erreichen, wie es heißt. Diese soll etwa bei besonders belasteten Räumen Aufschläge mit nachhaltiger Lenkungswirkung erlauben. Ziel sei dabei eine deutliche Verlagerung des Schwerverkehrs von der Straße auf die Schiene und damit eine Eindämmung des Umweg-Transits.
  • Auch gibt es im Regierungsprogramm ein Bekenntnis der Bundesregierung, die Bundesländer bei ihren Notmaßnahmen zur Bekämpfung des Lkw-Transits zu unterstützen. Als Beispiel dafür sind etwa die Sektoralen Fahrverbote, Nachtfahrverbote oder die Lkw-Dosierungen an den Außengrenzen, wie sie Tirol praktiziert, angeführt. Auch soll der Tanktourismus durch die Beseitigung wettbewerbsverzerrender Privilegien und durch die Berücksichtigung externer Kosten eingedämmt werden.
  • Neben dem Verbot von Gigalinern auf Österreichs Straßen sollen auch die bestehenden Lkw-Fahrverbote im niederrangigen Straßennetz aufrechterhalten werden. Ziel sei auch, Pilotprojekte und den Ausbau automatischer Abfahrverbote für Lkw mit digitalen Straßenschildern zu forcieren.
  • Darüber hinaus soll der Lärmschutz unter Miteinbeziehung von Kriterien wie Topographie, Anteile des Schwerverkehrs am Gesamtverkehrsaufkommen und bestehenden Schutzmaßnahmen ausgebaut werden.

Innere Sicherheit: BVT-Neuaufstellung

Neben den auch schon in anderen Regierungsprogrammen vorhandenen Schwerpunkten im Bereich der Inneren Sicherheit fallen im aktuellen vor allem die avisierte Neuaufstellung des BVT, Maßnahmen zur Bekämpfung von Vereinen wie den Identitären, die staatsfeindliches Gedankengut verbreiten, sowie ein nationaler Aktionsplan für Menschenrechte in Österreich auf.

BVT: "Zur Wiederherstellung des Vertrauens seitens der Bevölkerung und von Partnerdiensten" plant die Regierung eine umfassende Neuaufstellung des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT). Vorgesehen ist eine klare strukturelle Trennung in eine nachrichtendienstliche und eine Staatsschutzkomponente innerhalb eines reformierten BVT. Geplant sind u.a. transparente Personalaufnahmeverfahren und Ausbildung. Zudem ist die Behebung aller in der Vergangenheit aufgezeigten Sicherheitsmängel (samt Bericht an den ständigen Unterausschuss) geplant.

KAMPF GEGEN EXTREMISMUS: Ein Aktionsplan soll sich dem Rechtsextremismus und dem politischen Islam widmen. Zudem wird das BVT einen eigenen Extremismusbericht erstellen, der u.a. den islamistischen Extremismus umfasst. Die Beobachtung und Einschätzung rechtsextremer Burschenschaften wird wieder in den Verfassungsschutzbericht aufgenommen. Die Koalition will weiters Maßnahmen setzen, um staatsfeindliche Vereine wie die Identitären "wirksam zu bekämpfen".

BÜRGERRECHTE: In diesem Bereich werden zahlreiche Schwerpunkte gesetzt. So durch die Weiterentwicklung und Intensivierung der Zusammenarbeit mit NGOs und einen Aktionsplan für Menschenrechte. Bei Misshandlungsvorwürfen gegen Polizisten soll es konsequente und unabhängige Ermittlungen durch eine eigene Behörde in "multiprofessioneller Zusammensetzung" geben, die sowohl von Amts wegen ermittelt als auch als Beschwerdestelle fungiert und mit polizeilichen Befugnissen ausgestattet ist

- Weitere Verbesserungen betreffen die Vernehmungsmethoden, so sollen nur Dolmetscher beigezogen werden, die transparente Qualitätsstandards erfüllen. Der Rechtsschutz bei Untersagung von Versammlungen wird optimiert. Vorgesehen ist auch der Ausbau der parlamentarischen Kontrollrechte.

POLIZEI: Die begonnene Personaloffensive der Polizei wird mit 2.300 zusätzlichen Planstellen und 2.000 Ausbildungsplanstellen fortgesetzt. Vorgesehen ist u.a. eine Entlohnung nach Belastungskriterien, flexiblere Arbeitszeiten und Dienstzuteilungen. Die Polizei als Abbild der Gesellschaft soll mehr Diversität (z.B. Migrationshintergrund) aufweisen. Vorgesehen ist eine Sanierungsoffensive der Polizeiinspektionen, die im Eingangsbereich freundlicher und vor allem barrierefrei zu gestalten sind.

- Neben der Bekämpfung von Eigentumsdelikten und der Gewaltkriminalität wird ein Strategiekonzept in Sachen Cybercrime erstellt. So will man das Bewusstsein stärken, dass das Internet kein rechtsfreier Raum ist. Ebenso sollen Präventionsprogramme zum Opferschutz sowie der Täterarbeit ausgebaut werden. Verstärkt wird der Kampf gegen die organisierte Kriminalität, insbesondere den Menschenhandel, Zwangsprostitution und das illegale Glücksspiel.

Integration mit Kopftuchverbot bis 14

Das Kopftuchverbot an Schulen wird bis zum 14. Lebensjahr ausgeweitet, ist dem Integrationskapitel des Regierungsprogramms zu entnehmen. Verstärkte Kontrollen soll es in Kinderbetreuungsstätten, insbesondere islamischen geben. Einen Präventionsunterricht soll es ab der Mittelstufe geben.

  • Materialen insbesondere des islamischen Religionsunterrichts sollen in Hinblick auf verfassungsrechtliche Werte wie die Gleichstellung der Frau durch das Bildungsministerium in Zusammenarbeit mit dem Kultusamt auf problematische Inhalte geprüft werden. Etabliert werden in Bildungseinrichtungen neue Mitwirkungspflichten für Eltern, etwa die Teilnahme am Elternabend oder Zusammenarbeit mit dem schulischen Personal. Bei Nicht-Erfüllung dieser Pflichten soll die Möglichkeit geschaffen werden, Verwaltungsstrafen zu verhängen.
  • In welche Richtung man sich grundsätzlich orientiert, wird schon im Vorwort des Kapitels klar gestellt: "Die Österreichische Integrationspolitik orientiert sich weiterhin nach dem Prinzip 'Integration durch Leistung' und dem Grundsatz 'Fördern und Fordern'".
  • Erarbeitet werden soll ein Nationaler Aktionsplan gegen Rassismus und Diskriminierung. Interkulturelle Kompetenz soll in der Ausbildung Öffentlich Bediensteter verankert werden.
  • Bedarfsgerecht ausgebaut werden sollen Integrationsangebote wie Staatsbürgerschafts- und Orientierungskurse. Deutschkurse sollen nicht nur qualitativ hochwertig sonder auch leistbar werden. Kinderbetreuungsangebote während der Schulungen sollen ausgebaut werden.
  • Maßnahmen sollen auch gesetzt werden, um die Mobilität von Asylberechtigten am Arbeitsmarkt und in der Lehre zu fördern. Weiterentwickelt werden soll das Integrationsjahr, verbessert und beschleunigt werden Nostrifizierungen.

Asyl: Sicherungshaft und Grenzkontrollen

Das Regierungsprogramm zum Thema Asyl bringt etwa die Einführung einer "Sicherungshaft zum Schutz der Allgemeinheit". Betroffen sein sollen davon Personen, "bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie die öffentliche Sicherheit gefährden". Eingebaut ist ein koalitionsfreier Raum für den Fall einer neue Flüchtlingskrise.

  • Bei "neuen unvorhergesehenen Herausforderungen" wird ein recht komplexer Modus in Kraft gesetzt, wie die Koalition sich abzustimmen hat. Können sich am Ende Kanzler und Vizekanzler nicht verständigen, kann das zuständige Ministerium eine Gesetzesinitiative im Alleingang im Parlament einbringen und nach einer Begutachtung gegebenenfalls auch mit anderen Mehrheiten umsetzen.
  • Die schon eingeleitete Re-Verstaatlichung der Flüchtlingsbetreuung wird umgesetzt, also auch die Beratung von Asylwerbern der - im Einflussbereich des Innenministeriums stehenden - Bundesbetreuungsagentur (BBU) übertragen. Einziges Zugeständnis den Grünen gegenüber ist hier die Etablierung eines Qualitätsbeirats zur Sicherstellung einer unabhängigen Rechtsberatung unter Einbeziehung unter anderem von UNHCR und Volksanwaltschaft.
  • Beschleunigt werden sollen die Asylverfahren in zweiter Instanz mit dem Ziel einer durchschnittlichen Dauer von sechs Monaten. Erreicht werden soll das durch eine "deutliche" Personalaufstockung, diese allerdings nur temporär. Ein ausreichendes Kontingent an Dolmetschern soll sicher gestellt werden, ebenso entsprechende Qualität der Übersetzer. Weiter konsequent abschieben will man laut Programm straffällig gewordene Flüchtlinge, sofern deren Asylstatus aberkannt wurde.
  • Einsetzen will sich die Regierung für Abkommen mit sicheren Drittstaaten zur Errichtung von "Search and Rescue"-Zentren bzw. von Aufnahmezentren für Migranten, die aus der Seenot gerettet werden, letzteres in Kooperation mit dem UNO-Flüchtlingshochkommissariat. Zudem sollen Rückführungsabkommen mit Herkunftsländern ausgearbeitet werden, wobei sowohl Anreize als auch Sanktionen angedacht sind. Strafen für organisierte und gewerbsmäßige Schlepperei sollen erhöht werden.
  • Eine klare Absage wird einer europäischen Flüchtlingsaufteilung erteilt. Die Aufstockung der Frontex-Grenzgruppen will Österreich mit Karriere-Vorteilen fördern. Noch eher vage ist die Ankündigung eines beschleunigten, grenznahen Asylantragsverfahrens im Binnen-Grenzkontrollbereich.
  • Apropos Grenzen: Auch unter Türkis-Grün werden die nationalen Grenzkontrollen fortgeführt, solange der EU-Außengrenzenschutz nicht lückenlos funktioniert. Verwenden will man dabei aber verstärkt "technische Hilfsmittel".
  • Als Kernpunkt einer neuen Migrationsstrategie wird eine klare Trennung von Asyl und Arbeitsmigration angeführt. Zur Erleichterung letzterer soll eine neue Rot-Weiß-Rot-Karte geschaffen werden. Diese soll digitalisiert werden, die für eine Bewilligung notwendigen Einkommensgrenzen sollen überarbeitet (und damit wohl gesenkt) werden.

Justiz: Mehr Ressourcen, kein Generalanwalt

In der Justiz, vor deren Aushungerung Interimsjustizminister Clemens Jabloner gewarnt hatte, will die ÖVP-Grünen-Bundesregierung die erforderlichen Ressourcen locker machen, und zwar auch für anstehende Reformen. Die Reform des Maßnahmenvollzugs soll kommen, und auch eine "evidenzbasierte" Weiterentwicklung des Strafrechts. Auch eine Novellierung des Mietrechts will die Regierung angehen.

JUSTIZVERWALTUNG: Hier ist von einer Ausstattung mit erforderlichen Ressourcen die Rede, und zwar auch für Verbesserungen und anstehende Reformen. Im Strafvollzug soll der Personalstand nachhaltig gesichert werden. Gerichtsgebühren sollen evaluiert und eventuell gesenkt werden. Zumindest Urteile der Oberlandesgerichte sollen im Rechtsinformationssystem des Bundes (RIS) verpflichtend veröffentlicht werden. Die Gerichtspraxis soll auf neun Monate verlängert werden.

ZIVILRECHT: Das Familien- und Eherecht soll "heutigen gesellschaftlichen Lebensrealitäten" angepasst werden, auch das Kindesunterhaltsrecht soll modernisiert werden. Bei der "Doppelresidenz" von Trennungskindern könnte eine gesetzliche Regelung kommen. Zum Unterhaltszuschuss soll es einen einfacheren Zugang geben.

STRAF- UND STRAFPROZESSRECHT: "Die Staatsanwaltschaft muss unabhängig von Beeinflussungen arbeiten können", heißt es hier. Der oft geforderte Generalstaatsanwalt an der Spitze der Weisungskette (anstelle des Justizministers) wird aber nicht erwähnt. Die Strafrechtspolitik soll auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse gestaltet werden, für die Weiterentwicklung soll es "evidenzbasierte Grundlagen" geben. Genannt wird Schwarzarbeit, Schlepperwesen, organisierte Kriminalität, religiös motivierter politischer Extremismus (politischer Islam), Kampf gegen Antisemitismus, aber auch Umweltkriminalität. Auch der Untreuetatbestand soll evaluiert werden. In Prozessen soll in der Hauptverhandlung die audiovisuelle Aufzeichnung kommen.

STRAFVOLLZUG: Der elektronisch überwachte Hausarrest (Fußfessel) soll ausgeweitet werden, Justizanstalten will man sanieren. Insassen sollen in die gesetzliche Krankenversicherung einbezogen werden. Haft in der Heimat soll weiter forciert werden, und auch die Reform des Maßnahmenvollzugs soll kommen.

KONSUMENTENSCHUTZ: Hier gibt es ein "Bekenntnis zu einer Balance zwischen Wirtschaftsstandort und Konsumentenschutz", aber auch zur dauerhaften Finanzierung des Vereins für Konsumenteninformation (VKI).

WOHNEN: Eigentumsbildung soll gefördert, öffentliche Grundstücke sollen möglichst nur per Baurecht vergeben werden. Das Wohnungseigentumsrecht soll novelliert werden (Erleichterung für die Schaffung von Elektrotankstellen oder Photovoltaik, Dekarbonisierungsmaßnahmen als "Erhaltung" statt "Verbesserung"). Mieten sollen günstiger werden, das Mietrecht soll transparenter und nachvollziehbar werden. Eine Mietrechtsnovelle soll unter breiter Beteiligung bis zum Ende der Legislaturperiode angegangen werden.

Aus für Öl-und Kohleöfen und Gaskessel

Österreich will die Energiewende und raus aus dem Öl und aus der Kohle. Um die Klimaschutzziele bis 2040 zu gewährleisten, muss auf die Verbrennung von Heizöl, Kohle und fossilem Gas zur Wärmeerzeugung weitestgehend verzichtet werden, steht im Regierungsprogramm. Fernwärme wird forciert. Auch der Straßenverkehr wird "dekarbonisiert", die Taxis sollen dabei unter den ersten sein.

RÜCKZUG AUS ÖL- UND KOHLEHEIZUNGEN, KEINE NEUEN GASKESSEL MEHR: Ab 2020 setzt das "Phase Out" aus fossilen Energieträgern in der Raumwärme ein: Das bedeutet das Aus für alle Öl- und Kohleheizungen bis 2035 und keine Gaskessel-Neuanschlüsse mehr im Neubau ab 2025.

Öl- und Kohleheizungen soll es für den Neubau ab heuer nicht mehr geben, beim Heizungswechsel ab nächstem Jahr nicht mehr.

Außerdem sollen die Gasnetze zur Raumwärmeversorgung nicht weiter ausgebaut werden. Ausgenommen sind Verdichtungen innerhalb bestehender Netze.

WÄRMESTRATEGIE: In enger Zusammenarbeit mit den Bundesländern will die Bundesregierung eine österreichische Wärmestrategie mit dem Ziel der vollständigen Dekarbonisierung des Wärmemarktes ausarbeiten.

ERNEUERBAREN-GESETZ UND REFORM DER ÖKOSTROMFÖRDERUNG: Ein Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) - um das lange Zeit heftig gerungen wurde - wird laut Regierungsplan so rasch wie möglich erlassen. Es erfasst als Sammelgesetznovelle mehrere Gesetze und zieht eine Ökostromförderungsreform mit sich.

Ziel bleibt, die Stromversorgung bis 2030 auf 100 Prozent (national bilanziell) Ökostrom bzw. Strom aus erneuerbaren Energieträgern umzustellen. 100 Prozent Strom aus Erneuerbaren bedeute einen Zubau von rund 27 Terawattstunden (TWh). Angestrebt ist, bis 2030 eine Photovoltaik-Erzeugungskapazität von 11 TWh zuzubauen, bei Wind wird dies mit 10 TWh beziffert, bei Wasserkraft sind es 5 TWh, bei Biomasse 1 TWh.

Der Ausbau soll, unter Berücksichtigung von Vorlaufzeiten, einem zehnjährigen linearen Pfad folgen, gibt das Regierungsprogramm vor. Das Ausmaß des Unterstützungsvolumens orientiert sich daran. Im 3-jährigen Mittel darf laut künftiger Regierung dabei ein Jahres-Maximum von 1 Milliarde Euro nicht überschritten werden. Innovative Sonderprogramme im Klima- und Energiefonds bleiben aber möglich.

Den Anti-Atomkraft-Weg wird Österreich konsequent weitergehen, heißt es im Regierungsprogramm.

ENERGIEWENDE IM STRASSENVERKEHR: Ab 2025 will die Regierung den Weg hin zur emissionsfreien Mobilität geebnet haben. Wenn möglich schon ab 2022 werde die Beschaffung von emissionsfrei betriebenen Fahrzeugen durch die öffentliche Hand zum Standard. Pkw mit Benzin- oder Dieselmotoren in der öffentlichen Beschaffung werden (mit Ausnahme von Sonderfahrzeugen, Einsatzfahrzeugen und Fahrzeugen des Bundesheers) ab 2027 nicht mehr zugelassen. Ab 2025 ist der emissionsfreie Betrieb von neu zugelassenen Taxis, Mietwagen und Carsharing-Autos angepeilt. Für umweltfreundlichere Antriebe gibt es entsprechende Förderangebote.

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