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Nina Bussek, Sprecherin der Staatsanwaltschaft Wien (li.) und der Leiter der Ermittlungsgruppe, Michael Lohnegger.

Terror in Wien

Ermittlungen gegen 21 mögliche Mittäter, zehn davon bereits in U-Haft

Nach dem Terroranschlag in der Wiener Innenstadt, bei dem vier Menschen ums Leben kamen und weitere 23 Personen teils schwer verletzt wurden, dreht sich die Frage derzeit um ein mögliches Behördenversagen. So sollen die Behörden nicht nur Kenntnis vom Versuch eines Waffenkaufs in der Slowakei gehabt haben - sie observierten den 20-jährigen späteren Attentäter im Sommer sogar, weil er gemeinsam mit Gleichgesinnten ein Islamisten-Treffen abgehalten hatte.

Der Attentäter war wegen seiner Radikalisierung bekannt und musste an einem Deradikalisierungs-Programm teilnehmen, um vorzeitig aus der Haft entlassen werden zu können. Er war verurteilt worden, weil er versucht hatte, sich im Ausland der Terrororganisation IS (Daesh) anzuschließen.

Laut Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) habe der Mann die Behörden bewusst getäuscht und vorgegeben, geläutert zu sein. Dem widersprechen die Deradikalisierungs-Betreuer. Eine Warnung der Behörden aus der Slowakei, weil der 20-Jährige dort im Sommer Munition kaufen wollte, ist jedenfalls in Österreich im Sand verlaufen.

Im Zusammenhang mit dem Terroranschlag gab es zahlreiche Festnahmen und Hausdurchsuchungen.

Am Mittwoch hat die Bundesregierung im Ministerrat beschlossen, ein umfassendes Anti-Terror-Paket zu schnüren. Es beinhaltet unter anderem die vorbeugende elektronische Überwachung entlassener Gefährder sowie die Unterbringung terroristischer Straftäter im Maßnahmenvollzug.

🟥 Das Wichtigste im Überblick:

▶️ Ermittlungen gegen 21 mögliche Mittäter

▶️ Ermittlungen in Italien führen nach Wien

▶️ U-Kommission steht, erste Ergebnisse in vier Wochen erwartet

▶️ Untersuchungsbericht wird nicht vollständig veröffentlicht

▶️ EU-Innenminister dringen auf besseren Daten-Austausch

▶️ Mehr als 1500 Beschwerden beim Presserat

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💰 Operation "Luxor": Über 20 Millionen Vermögen sichergestellt

Bei der Razzia im Umfeld der Muslimbrüder sind "weit über 20 Millionen" Euro an Vermögenswerten sichergestellt und eingefroren worden, bestätigte Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) am Samstag in der Ö1-Reihe Im Journal zu Gast. Der höchste Bargeldfund habe rund 100.000 Euro betragen - wenn so eine Summe bei einem Imam oder einer Moschee sichergestellt werde, sei das für die Ermittler ein "klares Indiz", dass das Geld in der Terrorfinanzierung verwendet werde, so Nehammer.

Es sei über ein Jahr gegen diese Netzwerke ermittelt worden, betonte Nehammer. Der Innenminister sprach von über 21.000 Überwachungsstunden und mehr als 1,2 Millionen Bildern von Treffen und Zusammenkünften verdächtiger Personen, die nun ausgewertet werden müssten.

❗ Wiener Attentäter hatte 21 mögliche Mittäter

Ermittlergruppe „2. November“ erforscht die Hintergründe des Terroranschlags in der Wiener Innenstadt. Es geht auch um mögliche Komplizen des 20-Jährigen.

🔗 Mehr dazu hier ⤵️

💬 Maurer: Täter nicht in regulären Maßnahmenvollzug

Grünen-Klubchefin Sigrid Maurer zeigt sich überzeugt, dass das Anti-Terror-Paket der türkis-grünen Bundesregierung menschenrechtskonform umgesetzt werden kann. Potenzielle Terroristen einfach so lebenslang wegzusperren, wird es aus ihrer Sicht daher nicht spielen, erklärte sie der APA. Es gehe auch nicht um den Maßnahmenvollzug für psychisch Kranke, sondern um eine eigene Unterbringung analog zu gefährlichen Rückfalltätern. Im Vordergrund müsse die Deradikalisierung stehen.

"Es geht um die Möglichkeit, verurteilte Terroristen in Unterbringung zu bringen, wenn sie weiterhin radikalisiert und sehr gefährlich sind."

Dies solle auf Basis einer professionellen und standardisierten Gefährdungseinschätzung durch Experten geschehen. Die Maßnahme müsse vom Gericht gleichzeitig mit dem Urteil verhängt werden. Selbstverständlich müsse es hohe Hürden und eine regelmäßige Überprüfung geben. Maurer:

"Man kann nicht einfach sagen, das ist lebenslang, sondern man muss sich daran orientieren, wie sich die Personen entwickeln."

Es gelte, die Bestrebungen zur Deradikalisierung in der Haft und danach massiv zu verstärken. Die Fehler des Verfassungsschutzes gelte es zu analysieren, die Zusammenarbeit von Polizei, Justiz, Deradikalisierungseinrichtungen und Bewährungshilfe müsse sichergestellt werden. Die zentrale Frage für Maurer:

"Wie stellen wir sicher, dass so etwas Schreckliches möglichst nicht wieder passieren kann?"

Wichtig sei, dass nach einem Terrordelikt niemand mehr unüberprüft und unüberwacht entlassen werde. Vor diesem Hintergrund sei die geplante Observation mittels Fußfessel oder Armband zu sehen. Auch eine solche Auflage könne natürlich nur von Fall zu Fall und nur von einem unabhängigen Gericht verhängt werden. Als Vorbild nannte sie die Vorgangsweise bei Sexualstraftätern, die etwa mit Melde- und Therapieverpflichtungen bedingt entlassen werden.

Grundvoraussetzung sei bei allen Maßnahmen die Vereinbarkeit mit der Europäischen Menschenrechtskonvention, der Verfassung und den Grundrechten, erarbeiten werde man sie unter Einbindung von Experten und Verfassungsjuristen. Für die Grüne Klubchefin gilt das auch für den "politischen Islam", den die ÖVP strafrechtlich verbieten will.

"Selbstverständlich kann ein Straftatbestand nicht auf eine einzelne Religion abzielen."

Daher sei auch die Formulierung "religiös motivierter politischer Extremismus" gewählt worden:

"Es geht um einen Straftatbestand für eine Tat, nicht für eine Gesinnung."

Insgesamt verteidigte Maurer aber das am Mittwoch von der Koalition aus ÖVP und Grünen als Punktation beschlossene Paket:

"Wir haben eine Verantwortung sowohl für die Einhaltung der verfassungsmäßigen Grundrechte, aber auch für die Sicherheit der österreichischen Bevölkerung. Und wir haben ein ernsthaftes Problem mit radikalisierten jungen Männern, die unsere Demokratie zerstören wollen. Dem müssen wir uns stellen."

🔗 Nehammer: "Bestehende Instrumente zum Datenaustausch voll ausnutzen"

Nach den jüngsten islamistischen Anschlägen in Wien und Frankreich wollen die EU-Innenminister den Austausch über Daten von "Gefährdern" verstärken.

Mehr dazu im Artikel ⤵️

📽️ Video | Islamischer Friedhof verweigert Attentäter Begräbnis

Nachdem Gläubige Bedenken geäußert hatten, beschloss der islamische Friedhof in Wien-Liesing nun, jenem Attentäter, der vier Menschen erschossen hat, ein Begräbnis zu verweigern.

📽️ Video | Anschlag: Berichte nur teilweise öffentlich

Eine Untersuchungskommission der Regierung soll den Terroranschlag und die Ermittlungen im Vorfeld gegen den späteren Attentäter klären. Allerdings, von drei Berichten wird nur einer veröffentlicht.

Kickl droht mit U-Ausschuss

FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl droht mit einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Sollte die türkis-grüne Bundesregierung nicht rasch einlenken und den Weg für "echte" Aufklärungsarbeit freimachen, werden die Freiheitlichen im kommenden Plenum einen entsprechenden Antrag einbringen.

Für die tatsächliche Einsetzung braucht die FPÖ aber zumindest eine weitere Fraktion. Seit 2015 ist die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zwar ein Minderheitenrecht, nötig dafür ist aber ein Viertel der Abgeordneten (46 Mandatare). Die Freiheitlichen stellen jedoch nur 30 Abgeordnete. Zudem läuft bereits der Ibiza-Ausschuss und ein zweiter paralleler bräuchte die Unterstützung zumindest von Teilen der Koalition.

Vor allem stieß sich Kickl daran, dass der Bericht der eingesetzten Untersuchungskommission zur Aufarbeitung des Terroranschlags vom 2. November nicht veröffentlicht werden soll, was das "Gegenteil von Aufklärung" sei, so der Freiheitliche Klubobmann in einer Aussendung am Freitag. Justizministerin Alma Zadic (Grüne) hatte dies damit begründet, das man auch den nachrichtendienstlichen Bereich beleuchten wolle, was eine "gewisse Verschwiegenheit" notwendig mache. Veröffentlicht werden soll aber ein Bericht mit Schlussfolgerungen Analysen.

Kickl ist das zu wenig. Es sei "eine Schande", dass Zadic ÖVP-Innenminister Karl Nehammer "die Mauer" mache. Die Kommission sei eine "reine Alibi-Aktion".

"Wo Untersuchungskommission draufsteht, ist schwarze Vertuschung drin",

meinte Kickl.

📽️ Video | Berger (ORF) zu den Terror-Ermittlungen

ORF-Reporter Robert Berger spricht über die Ermittlungen nach dem Terroranschlag in Wien, bei dem vier Menschen von einem Attentäter erschossen worden sind.

NEOS wollen ungeschwärzten Bericht für Parlament

Nachdem die Regierung angekündigt hat, den Untersuchungsbericht zum Anschlag in Wien am 2. November nicht in voller Länge zu veröffentlichen, fordern die NEOS volle Einsicht für das Parlament. Einen entsprechenden Antrag will Verteidigungssprecher Douglas Hoyos am Freitag im "Geheimdienstausschuss" des Nationalrats einbringen. Die Vertraulichkeit des Ausschusses sollte laut Hoyos auch sicherstellen, dass keine geheimen Informationen an die Öffentlichkeit geraten.

"Wenn unseren Forderungen nach absoluter Transparenz und Offenheit heute im Geheimdienstausschuss nicht nachgekommen wird, können wir dem Innenminister nicht mehr vertrauen",

stellte Hoyos vor der Sitzung des ständigen Unterausschusses des Innenausschusses am Nachmittag einen Misstrauensantrag gegen Nehammer in den Raum. Eine Untersuchungskommission, die von der Regierung ausgewählt werde, Mitglieder des "ÖVP-Netzwerkes" umfasse und ihre Berichte nur den betroffenen Ministerien vorlege, die dann über die Veröffentlichung entscheiden, wäre eine "Farce":

"Unter diesen Umständen können wir uns die 'Untersuchung' gleich sparen."

Die NEOS fordern daher, dass dem Parlament alle Akten zugänglich gemacht werden, dass die Kommission dem Ausschuss wöchentlich berichtet und dass die Zwischenberichte, Unterlagen, Gesprächsprotokolle sowie der Abschlussbericht dem Ausschuss vollständig und ohne vorherige "Schwärzung" vorgelegt werden.

📽️ Video | Ingrid Thurnher (ORF) analysiert die Pressekonferenz der Polizei

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